Tätigkeitsbereiche
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Hauptverhandlung

Vor der Hauptverhandlung bespricht der Verteidiger mit dem Mandanten deren Ablauf, unter anderem, ob die grundsätzliche Strategie einer Änderung bedarf, etwa ob die Abgabe einer Erklärung zur Sache sinnvoll ist.

Rechtzeitig – aber auch nicht zu früh – vor der Hauptverhandlung beantragt der Verteidiger nochmals Akteneinsicht.

In geeigneten Fällen stellt der Verteidiger schon vor der Hauptverhandlung Beweisanträge bzw. lädt Zeugen und Sachverständige selbst zur Hauptverhandlung. Sofern der Verlust eines Zeugen zu besorgen ist (etwa wegen hohen Alters oder schwerer Krankheit), beantragt er dessen kommissarische Vernehmung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter.

Der Verteidiger prüft die örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des Gerichts und die Besetzung des Spruchkörpers, also ob nach dem Geschäftsverteilungsplan der „richtige“ Richter vorgesehen ist (Recht auf den gesetzlichen Richter), und erhebt bei einem Fehler einen Besetzungseinwand. Über solche Aktivitäten, die vordergründig mit der Sachentscheidung des Gerichts „nichts zu tun haben“, zeigt der Verteidiger, dass er seine Funktion ernst nimmt und es dem Gericht „nicht leicht machen“ wird, den Mandanten zu verurteilen.

Wenn ein Freispruch unrealistisch erscheint, erwägt der Verteidiger eine Kontaktaufnahme mit Gericht und Staatsanwaltschaft, um die Möglichkeit einer Verständigung zu eruieren.

Im unmittelbaren Vorfeld der Hauptverhandlung bereitet der Verteidiger sämtliche Beweiserhebungen sorgfältig vor, bei der Befragung von Zeugen und Sachverständigen etwa mittels der Ausarbeitung eines Konzeptes oder gar eines Fragenkataloges.

Falls mehrere Angeklagte strategische Gemeinsamkeiten verfolgen, bietet sich die Kontaktaufnahme zu den Verteidigern der Mitangeklagten an, um eine einheitliche Verteidigungsstrategie zu entwickeln (Sockelverteidigung).

In besonders umfangreichen Strafverfahren vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht hat der Verteidiger das Recht, vor der Vernehmung des Angeklagten eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die aber den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf (sog. Opening Statement).

Falls das Gericht die Beweisaufnahme nicht auf alle erforderlichen Beweismittel erstreckt, stellt der Verteidiger in der Hauptverhandlung Beweisanträge. Der Verteidiger beanstandet unzulässige – etwa suggestive – Fragen an Zeugen und beantragt Gerichtsbeschlüsse gegen nachteilige Verfügungen des Vorsitzenden, um sich eine Rügemöglichkeit für die Revision zu schaffen. Um eine zu Tage tretende Vorverurteilung des Mandanten anzugreifen, gibt er Erklärungen zu einzelnen Beweiserhebungen ab.

Wenn im Vorverfahren Beweise rechtswidrig erhoben wurden (etwa wegen Verstoßes gegen die Belehrungsvorschriften) widerspricht der Verteidiger der Verwertung. Falls Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Mandanten zur Sprache kommen sollen, deren öffentliche Erörterung dessen schutzwürdige Interessen verletzen würde, beantragt der Verteidiger den Ausschluss der Öffentlichkeit. Bei einer erheblichen Veränderung der Prozesssituation – etwa wenn die Polizei umfangreiche Akten nachreicht – wird die Aussetzung (also der Neubeginn) oder die Unterbrechung der Hauptverhandlung beantragt, um die Verteidigung auf die neue Lage einstellen zu können.

Insgesamt pocht der Verteidiger auf die Einhaltung der strikten Förmlichkeiten der Strafprozessordnung, die dem Schutz seines Mandanten dienen.

Die Tätigkeit in der Hauptverhandlung verlangt dem Verteidiger die Fähigkeit ab, sich binnen kürzester Zeit auf die jeweilige Prozesssituation einzustellen und darauf zu reagieren. Vorbereitete Konzepte müssen angepasst werden, z. B. wenn ein Zeuge anderes als erwartet bekundet. Falls die Anbringung eines Gesuches wegen Besorgnis der Befangenheit angezeigt ist, muss der Verteidiger unverzüglich – im Regelfall sofort – reagieren, damit die Ablehnung nicht präkludiert, also verspätet und damit unzulässig ist.

Der Verteidiger sollte die Stärke vermitteln, sich in allen Prozesssituationen allein von den Interessen des Mandanten leiten zu lassen und diese zu Gehör zu bringen. Dabei darf er den Konflikt mit Gericht und Staatsanwaltschaft nicht scheuen; die Bereitschaft, sich auf eine sachliche Auseinandersetzung einzulassen und die Position der Verteidigung offensiv zu vertreten, kann entscheidend für den Erfolg in der Sache sein. In diesem Sinne können Prozessanträge aus taktischen Erwägungen auch dann sinnvoll sein, wenn deren Ablehnung absehbar ist.

In Fällen mit großem Medieninteresse drängt der Verteidiger auf eine das Persönlichkeitsrecht des Mandanten wahrende Berichterstattung, etwa auf eine Verpixelung von Fotos. In Abstimmung mit dem Mandanten erwägt der Verteidiger den Kontakt mit Medienvertretern, um einer einseitigen Berichterstattung entgegenzuwirken. Sinnvoll ist die Zusammenarbeit mit einem auf das Medienrecht spezialisierten Kollegen.

Auch in der Hauptverhandlung selbst kann der Verteidiger auf eine Verständigung hinwirken.

In seinem Plädoyer nimmt der Verteidiger eine umfassende Würdigung aller erhobenen Beweise vor, trägt alle für seinen Mandanten sprechenden Umstände vor und stellt gegebenenfalls Hilfsbeweisanträge für den Fall, dass das Gericht den Mandanten verurteilen will.

Alle Maßnahmen sollte der Verteidiger unter dem Blickwinkel einer späteren Revision durchdenken, also die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Rüge schaffen und daher Anträge schon auf das Rechtsmittelverfahren ausrichten.

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